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"Linda spricht mit": Frau Uslu-Fetic von Kultursensible Versorgung mitempathie e.V.

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"Aktiv zuhören mitempathie ist das Motto unseres Vereins"

Linda Buers:

Heute telefoniere ich mit Frau Uslu-Fetic, die in dem Verein "Kultursensible Versorgung mitempathie e.V." als Vorstandsvorsitzende tätig ist. Ich freue mich darauf, Ihren Verein in unserer Mitgliedszeitung bzw. unserem digitalen newsletter migo zu präsentieren.

Frau Uslu-Fetic:

Guten Tag, Frau Buers.

Linda Buers:

Wie kam es zu der Gründung des Vereins im Jahr 2016?

Frau Uslu-Fetic:

Ich war schon sehr viele Jahre ehrenamtlich tätig im Bereich der psychosozialen Beratung und habe auch Menschen zum Psychiater begleitet. Ich habe auch einige Kurse zum Thema Erziehung, Kommunikation und Migration besucht. Dann habe ich vier Jahre beim Verein VIBB e.V. (im Bereich Betreutes Wohnen für Migranten mit psychischer Belastung) gearbeitet. Dort habe ich viele Beobachtungen gemacht, zum Beispiel, dass belastete Menschen sich nicht verstanden fühlen.

Als die Flüchtlingswelle kam, habe ich überlegt, was kann ich machen?

Jeder Mensch, der von Not erfährt, diese sieht oder von Menschen in Not hört, ist verantwortlich für diese Menschen. Wie Goethe sagt, ist es nicht genug zu wissen, sondern man muss sein Wissen auch anwenden. Es ist nicht genug zu wollen, man muss auch tun.

Linda Buers:

Welche Art der Beratung/Unterstützung bieten Sie an?

Frau Uslu-Fetic:

Menschlichkeit und Respekt sind das Allerwichtigste. Wir haben die Menschen begleitet, wenn sie Behörden aufsuchen mussten. Manchmal passieren schlimme Sachen. Ein Sachbearbeiter sagt: "Geh doch in deine Heimat zurück. Wir haben kein Geld, um für euch alle zu bezahlen." Nachdem ich ruhig und freundlich mit ihm gesprochen habe, die Situation meiner Mandantin, die Analphabetin war, genau erklärt habe, konnte er besser verstehen, wie schwierig ihre Situation war. Er konnte dann besser reagieren und hat uns sogar zur Tür begleitet. Kommunikation ist eine Kunst, die ich beherrsche. Ich habe sehr oft Diskriminierung erlebt. Zum Teil sind die Sachbearbeiter auch einfach überfordert.

Wir bieten allgemeine soziale Unterstützung, emotionale Unterstützung und Hilfe bei der Integration der Flüchtlinge. Wir helfen bei der Verständigung mit Ärzten.Außerdem haben wir zu Anfang bei der Wohnungssuche geholfen, und ich fand  Sponsoren für die Anschaffung von Möbeln. Auch um Kleiderspenden haben wir uns gekümmert. Wir machen Präventionsarbeit. Zum Beispiel kann ich den Familien die Angst vor dem Jugendamt nehmen. Damit die Kinder die deutsche Kultur verstehen, sind wir mit ihnen in Museen und Bibliotheken gegangen. Wir möchten aber vor allem ihre Resilienzfähigkeit, also die psychische Fähigkeit Probleme zu bewältigen, stärken.

Linda Buers:

Erzählen Sie uns bitte etwas über die Geschichte Ihres Vereins!

Frau Uslu-Fetic:

Ich bin Gründerin und Vorstandsvorsitzende des Vereins "mitempathie e.V.".Ich habe beobachtet , dass das größte Problem die mangelnde Kommunikationsfähigkeit und Kultursensibilität ist.

Viele Migranten sind emotionaler als die deutsche Bevölkerung, die eher sachlich denkt. Beide Seiten haben Probleme einander zu verstehen, das ist wirklich nicht böse gemeint. Erst muss man aktiv zuhören, verstehen, Vertrauen aufbauen, dann kann man handeln und sich in Richtung Integration bewegen.

Und auch erst dann, wenn es den Menschen psychisch gut geht, haben die Sprachkurse einen Sinn. Sonst scheitern sie dort und verlieren noch an Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein. Mein Ziel war es, Menschen in dieser Hinsicht unabhängig von politischen und religiösen Institutionen zu helfen. Dazu gehören auch Menschen ohne Zuwanderungsgeschichte, z.B. solche, die unter Einsamkeit leiden. Wir möchten Menschen als Ganzes wahrnehmen. Wertschätzung, Toleranz, und Mitgefühl prägen unsere Arbeit. Wir sind mit Leidenschaft dabei. Ein Mensch ist ein soziales Wesen, wenn er sich nicht ausdrücken kann, verursacht dies Sorgen und Traurigkeit. Ich habe erlebt wie Menschen verblassen, sich beleidigt fühlen und sich zurückziehen. Wir leisten Präventionsarbeit gegen diese negativen Auswirkungen und Stressoren.

Die BKK Novitas hat mich verstanden und unterstützt. Ich bin Soziologin und Diplom Seelsorgerin.Für den Verein arbeiten außerdem 2 weitere Psychologen, sodass wir Beratung in den Sprachen Arabisch, Türkisch, Persisch, Englisch und Deutsch anbieten können.

Eine Frauengruppe mit 35 Teilnehmern hat mich einmal eingeladen, unseren Verein vorzustellen. 33 Teilnehmer nahmen Antidepressiva! Das fand ich furchtbar.

Für mich ist Professionalität, dass man sich Zeit nimmt und auch eigene Gefühle zeigt. Unsere Einzelgespräche dauern 45 Minuten. Manchmal weine ich mit.

Anfangs dachte ich, dass ich hauptsächlich mit Frauen arbeiten muss, aber tatsächlich waren meine ersten vier Klienten Männer.

Leider haben die Medien einen großen Einfluss auf die Gesellschaft, und dort überwiegt die negative Berichterstattung über Migranten. Dadurch werden Ängste geschürt. Wir versuchen stattdessen wieder Vertrauen aufzubauen.

Linda Buers:

Durch die Pandemie mussten ja in diesem Jahr viele Veranstaltungen abgesagt werden. Was planen Sie für das Jahr 2021?

Frau Uslu-Fetic:

Für den 20. Mai 2020 hatten wir ein Programm geplant zum Thema: "Migration und Gesundheit". Dazu waren Herr Professor Dr. Halil Uslucan und Dr. Mimoun Azizi eingeladen. Das wird hoffentlich in diesem neuen Jahr stattfinden.

Linda Buers:

Warum sind Sie dem Essener Verbund der Immigrantenvereine beigetreten? In wie fern war diese Mitgliedschaft bisher für Sie nützlich?

Frau Uslu-Fetic:

Ich schätze Herrn Sürücü sehr. Er sitzt genau an der richtigen Stelle. Durch das Gespräch mit Herrn Sürücü haben wir einen Raum im KD 11/13 - Zentrum für Kooperation und Inklusion in Altenessen bekommen. Der Verbund macht wohl auch Werbung für uns, wir haben jeden Montag Klienten. Unsere Flyer liegen dort aus.

Wir sind auch Mitglied im Paritätischen Verbund.

Linda Buers:

Welchen Rat können Sie Vereinen geben, die sich erst vor kurzer Zeit gegründet haben?

Frau Uslu-Fetic:

Einen Verein zu gründen ist einfach, aber man muss auch dafür arbeiten. Ich habe drei Kinder, und der Verein ist mein 4. Kind. Das sollte man sich vorher gut überlegen.

Linda Buers:

Wenn Sie drei Wünsche frei hätten, was würden Sie sich wünschen?

Frau Uslu-Fetic:

Wir brauchen Liebe, Respekt, Gerechtigkeit. Wenn jeder davon erfüllt wäre, hätten wir eine ganz andere Gesellschaft. Und ich wünsche mir, dass gute Arbeit geschätzt und unterstützt wird. Das soll auch gesehen werden.

Linda Buers:

Vielen Dank für dieses Interview. Weiterhin viel Erfolg und – bleiben Sie gesund!

Frau Uslu-Fetic:

Ich wünsche auch Ihnen alles Gute.

Wenn Sie zu dem Verein Kontakt aufnehmen möchten, haben Sie hiermit die Möglichkeit:

Kultursensible Versorgung mitempathie e.V.

KD 11/13 - Zentrum für Kooperation und Inklusion

Karl-Denkhaus-Str. 11

45329 Essen-Altenessen

Email: mitempathie@gmail.com

migo - die digitale Mitgliederzeitschrift des Essener Verbundes der Immigrantenvereine e.V.

Der Essener Verbund der Immigrantenvereine e.V. freut sich, Ihnen migo - die neue digitale Mitgliederzeitschrift vorzustellen.

migo steht für „Migration - Integration - Gesellschaft - Oekonomie“ und damit für viele Themen in unserer heutigen Zeit. migo soll sowohl dazu beitragen, die Kommunikation unter den Mitgliedsvereinen zu verbessern, als auch viele interessierte Essenerinnen und Essener über die vielfältigen Angebote und Nachrichten aus unserer Stadt, aus unserem Land und der Bundesrepublik zu informieren.

migo erscheint monatsweise als Newsletter und wird Themen u.a. aus Wirtschaft, Recht, Sport, Bildung, Gesundheit, Nachrichten über Aktivitäten der Migrantenvereine, Berichte aus Rat und Politik und vieles mehr umfassen.

Der „Essener Verbund der Immigrantenvereine e.V.“ ist ein Dachverband aller gemeinnützigen Migrantenorganisationen in Essen. Seit der Gründung in 2000 ist er stetig gewachsen. Heute erreicht er eine Mitgliederzahl von über 70 Migrantenorganisationen aus über 20 Herkunftsländern. Von dieser Zusammenarbeit profitieren MitbürgerInnen ausländischer Herkunft in erster Linie, aber auch die Stadt und die gesamte Bevölkerung in Essen.

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